Was ist ein Selbstzitat?
Handelt es sich um die eigene Arbeit von Forschenden, sind Quellenangaben nötig, um Selbstplagiate oder Copy & Paste- Duplikate zu vermeiden. Eine solche Angabe wird als Selbstzitation bezeichnet. Selbstzitate stehen dann im Einklang mit wissenschaftlicher IntegritĂ€t und guter wissenschaftlicher Praxis, wenn sie frĂŒhere Forschung erweitern oder sich auf bereits veröffentlichte Arbeiten beziehen. FĂŒr Selbstzitate gibt es legitime GrĂŒnde: Besonders in der Wissenschaft sind viele Arbeiten kumulativ und es ist wichtig, frĂŒhere Grundlagenarbeit zu nennen.
Wenn jedoch die Berechnung des Impact-Faktors zur leitenden Motivation wird, können Selbstzitate in den Bereich der Eigenwerbung abdriften. Dieses Verhalten hat sich in der Forschungsgemeinschaft zu einem zunehmenden Problem entwickelt.
Der Impact-Faktor basiert auf der Anzahl der Zitationen, die ein Artikel erhĂ€lt. FĂŒr viele Forschende und wissenschaftliche Zeitschriften ist dieser Wert ein wesentlicher Indikator fĂŒr wissenschaftliche Reputation.
Exzessives Selbstzitieren mit der Absicht, dadurch den eigenen Impact-Faktor zu erhöhen, gilt als unethisch und fĂ€llt in die Kategorie der Zitationsmanipulation. In einer Studie von 2019 hĂ€lt das COPE (Committee on Publication Ethics) ausdrĂŒcklich fest: âWenn eine der oben genannten Parteien, Redakteure, Vorstandsmitglieder, Gutachter oder Autoren Zitate hinzufĂŒgen und die Absicht dahinter einzig der Eigenwerbung dienen, verstöĂt dieses Verhalten gegen die Publikationsethik und gilt als unethisch. DarĂŒber hinaus sollten keine Zitate zu Arbeiten des Herausgebers hinzugefĂŒgt werden, nur damit das Manuskript mit höherer Wahrscheinlichkeit angenommen wird â egal ob darum gebeten wird oder nicht.â (2019)
Wie zeigen sich Selbstzitate in Arbeiten?
Die wissenschaftliche Gemeinschaft hat zahlreiche Beispiele fĂŒr ĂŒbermĂ€Ăige Selbstzitate angeprangert. In einer Studie, die diesen Monat in PLoS Biology veröffentlicht wurde, nennt Nature das Beispiel eines Informatikers: Dieser hat âbis 2017 94 % seiner Zitate von sich selbst oder von seinen Mitautoren erhalten. Er ist kein Einzelfall. Der rund 100.000 Wissenschaftler umfassende Datensatz zeigt, dass mindestens 250 Forschende ĂŒber 50 % ihrer Zitate entweder von sich selbst oder ihren Koautoren erhalten haben. Als Vergleich: Der Median der Selbstzitationsrate betrĂ€gt 12,7 %â (Van Noorden & Chawla, 2019).
ĂbermĂ€Ăige Selbstzitate sind, salopp gesagt, nicht besonders schwer zu erkennen.
Wissenschaftler können zu Selbstzitaten neigen, da sie sich dadurch Veröffentlichungen und einen höheren Impact-Faktor wĂŒnschen â was die kĂŒnftigen Publikationsmöglichkeiten erweitert. FĂŒr Zeitschriften lohnen sich Selbstzitate, da sie wiederum den Journal Impact Factor (JIF) erhöhen. Auch kann der Fall sein, dass die Zeitschrift bei der Auswahl ihrer Themen sehr spezifisch ist. (Sanfilippo u.a., 2021)
Wie wirken sich Selbstzitate auf die wissenschaftliche IntegritÀt aus?
Der Zusammenhang von Selbstzitaten und wissenschaftlicher IntegritĂ€t ist eindeutig: Zitate und folglich auch Selbstzitate erhöhen die wissenschaftliche Reputation von Wissenschaftlern oder Zeitschriften in Form des Impact-Faktors, der einen sichtbaren Indikator fĂŒr wissenschaftliche Reputation darstellt.
ĂbermĂ€Ăige Selbstzitate können jedoch auch nach hinten losgehen, da viele Mitglieder der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf diese Form des Fehlverhaltens aufmerksam werden â denn die Anzahl der Zitate ist gleichzeitig ein deutlich sichtbarer Hinweis darauf, ob Eigenwerbung betrieben wird oder nicht.
Weniger offensichtlich ist die Motivation hinter den Selbstzitaten aus GrĂŒnden der Eigenwerbung. Nicht eindeutig ist auch, wie viele Zitate genau in diesem Fall zwischen legitimer Selbstzitation und Eigenwerbung liegen.
Wissenschaftler arbeiten daran, eine Schwelle fĂŒr ĂŒbermĂ€Ăiges Selbstzitieren zu bestimmen. Die Grenze zwischen legitimen und ĂŒbermĂ€Ăigem Selbstzitieren kann variieren, sogar je nach Fachrichtung. GegenwĂ€rtig sind Forschende dabei, das Gleichgewicht zwischen dem Aufbau auf frĂŒheren Arbeiten und der Anerkennung des Einflusses von anderen zu untersuchen. (Szomszor, Pendelbury & Adams, 2020)
MaĂnahmen zum EindĂ€mmen von Selbstzitaten
FĂŒr das Problem unethischer und ĂŒbermĂ€Ăiger Selbstzitate existieren mehrere LösungsvorschlĂ€ge. Justin Flatt hat vorgeschlagen, einen Index fĂŒr Selbstzitate zu veröffentlichen, um mehr Transparenz in diese Praxis zu bringen. (2017) In einer Studie aus dem Jahr 2020, in der das Verfolgen von Selbstzitaten mit definierten Zielen weiter vorangetrieben wurde, hat er diesen Vorschlag ergĂ€nzt und erklĂ€rt: âAnstelle der Kuratierung sollten wir Methoden verwenden, die sĂ€mtliche Zitationsdaten nutzen â allerdings unter sorgfĂ€ltiger BerĂŒcksichtigung von Faktoren wie Selbstzitate, Kollaboration und âZitationsformenâ. Nur dann können wir das Verhalten und die Leistung von Autoren hinsichtlich Zitierungen vollumfĂ€nglich beurteilen.â (Kacem, Flatt & Mayr, 2020)
âJedoch ist der Vorschlag, die Selbstzitationsrate von Einzelpersonen öffentlich zu listen, oder sie auf der Grundlage von um Selbstzitate bereinigten Metriken zu bewerten, höchst umstrittenâ, heiĂt es in einem Artikel von Nature. âCOPE hat sich gegen den Ausschluss von Selbstzitaten aus jeglichen Metriken ausgesprochen, weil dies âkein differenziertes VerstĂ€ndnis dafĂŒr ermöglicht, wann Selbstzitate wissenschaftlich sinnvoll sind.ââ (Van Noorden & Chawla, 2019)
Jedoch hat die Schweiz im Mai 2021 ihren Verhaltenskodex erweitert und âcitation farmingâ, also ĂŒbermĂ€Ăiges Selbstzitieren, in die Liste mit sanktionierbarem wissenschaftlichen Fehlverhalten aufgenommen.
Das Bewusstsein fĂŒr den Missbrauch von Selbstzitaten zu stĂ€rken ist ein Teil der Lösung â denn wie bei vielen anderen Fragestellungen der wissenschaftlichen IntegritĂ€t ist dieses die grundlegende Voraussetzung fĂŒr das EindĂ€mmen von Fehlverhalten. Dazu arbeitet die wissenschaftliche Gemeinschaft sowohl an Richtlinien, wie auch an objektiven MaĂstĂ€ben, um ĂŒbermĂ€Ăige Selbstzitate einzudĂ€mmen und die wissenschaftliche IntegritĂ€t zu wahren.